Bergpunkt

Michael Wicky zur aktuellen Situation

«bergpunkt wird die Krise überstehen»

Der Lockdown kam für bergpunkt, wie für andere auch, sehr schnell und überraschend. Wie es aktuell hinter den Kulissen aussieht, wie es den Bergführern und Bergführerinnen geht und worauf man sich trotz allem freut, erzählt Michael Wicky, Mitgründer und Geschäftsführer von bergpunkt, im Interview.

 

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Michael, in welchem Moment hast du gemerkt, dass etwas richtig Heftiges auf uns alle – und damit auch auf bergpunkt – zukommt?
Es dauerte einen Moment lang. Für uns kam die Krise schleichend. Anfangs schien Corona weit weg zu sein, wie wohl für die meisten von uns. Dann auf einmal zeichnete sich ab, dass wir unsere Touren in Italien nicht mehr durchführen konnten. So begannen wir damit, die italienischen Touren auf Optionen in der Schweiz umzubuchen...

... was dann bald auch nicht mehr ging.
Ja, mit einem Mal veränderte sich für uns alles sehr schnell und überraschend. Es kam mir vor wie ein Tsunami! Unmittelbar vor dem Lockdown, am Sonntag, dem 15. März, wollte ich mit einer Gruppe nach Österreich reisen, um unsere TransalpSki durch die Ötztaler Alpen weiterzuführen. Doch bald merkten wir, dass auch dies nicht mehr möglich sein würde. Deshalb organisierten wir im letzten Moment als Alternative eine Überschreitung von Splügen nach Bivio, auf der wir ausschliesslich in Hotels übernachten würden.

Zu der es dann auch nicht mehr kam.
Nach den News vom Bundesrat am Freitag, dem 13. März, stand erst einmal fest: Ich selber würde die Gruppe nicht führen können, da es im Büro von bergpunkt mit einem Mal sehr viel zu organisieren gab. Und ziemlich schnell entschieden wir aufgrund der sich überschlagenden Ereignisse auch, dass die Gruppe nicht Richtung Graubünden aufbrechen würde. Am Montag war dann klar, dass wir Bergführer gar nicht mehr arbeiten durften.

Kann bergpunkt für seine Bergführer und Bergführerinnen Kurzarbeit anmelden? Und hilft der Bund dem Unternehmen als solches?
Im Büro von bergpunkt sind nur Veronika, Bruno und ich angestellt. Die Bergführer sind selbständigerwerbend und haben meist eine Einzelfirma. Für Veronika und Bruno konnten wir Kurzarbeit anmelden. Als Glücksfall im Unglück stellte sich heraus, dass uns Bergführern und Bergführerinnen das Arbeiten explizit verboten wurde: Nur deshalb gelten für uns – im Gegensatz zu anderen Selbständigen wie etwa Physiotherapeuten oder Fotografen – die Sonderregelungen des Bundes. So können die Bergführer jetzt Erwerbsersatz anmelden und auch ich als Geschäftsführer erhalte eine Entschädigung. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar!

Sprich die Bergführer und Bergführerinnen stehen finanziell nicht am Abgrund.
Nein, grundsätzlich nicht. Es ist aber so, dass es manche härter trifft als andere. Einige etwa haben Zweitjobs, in denen sie nun arbeiten können. Bei anderen stockte die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner beruflich auf. Schwieriger ist es vor allem für jene, die mehrheitlich vom Bergführern leben. Für sie fallen mit den Wochen um Ostern wichtige Tage der Hochsaison aus, was nur zu einem Teil von den Massnahmen des Bundes aufgefangen wird.

Und wie ist es für die Bergführer und Bergführerinnen «at home» zu leben? Für jemanden, der oder die sich den Freiraum der Berge gewohnt ist, dürfte dies nicht ganz einfach sein. Weisst du, wie es ihnen geht?
Mental sind alle wohlauf. Sie sind sich ja von Berufswegen gewohnt, ihr Tun immer den aktuellen Umständen anzupassen und neue Optionen aufzuspüren. Einige geniessen die freien Tage, andere arbeiten in den Zweitjobs und weitere sind kreativ tätig: Sie klettern von ihren Balkonen aufs Dach oder biwakieren im Garten! Nein, Spass beiseite: Sie bieten etwa Kletter-Coachings per Videocall oder Telefonberatungen punkto Tourenplanung und Training an. Und untereinander tauschen wir uns regelmässig in Video-Meetings aus.

Verstehe ich richtig: bergpunkt kann die aktuelle Krise verkraften.
Wie für die Bergführer, sind die Ausfälle über Ostern auch für bergpunkt gravierend. Sollte noch der Sommer ganz ausfallen, würden wir in diesem Jahr nur rund die Hälfte des normalen Umsatzes erwirtschaften. Derweil ein Grossteil der Investitionen für das Marketing und die Organisation des Sommers bereits getätigt sind. Zusätzlich arbeiten wir nun stundenmässig viel wegen der vielen Absagen und verdienen dabei nichts.

Also ist es doch nicht nur einfach.
Einfach wäre das falsche Wort. Aber bergpunkt steht auf einer soliden Basis und in den letzten Monaten generierten wir überdurchschnittlich viel Umsatz. Dank diesen Voraussetzungen wird bergpunkt die Krise überstehen. Ausserdem sind wir überzeugt, dass wir nach der Krise immer noch gefragt sind: Skitouren und Bergsteigen werden weiterhin Menschen glücklich machen.

Was empfiehlst du den Gästen: Sollen sie Sommerkurse und Sommertouren bereits buchen?
Ja klar. Wer motiviert ist und in Bezug auf Covid-19 keiner Risikogruppe angehört, soll unbedingt seinen Bergsommer planen! Das schafft im Moment auch Vorfreude und tut gut. Dürfen wir Bergführer arbeiten, werden wir arbeiten. Falls nötig, werden wir die Touren und Kurse anpassen, so dass sie kompatibel mit den Vorgaben des Bundes sind. Dürfen wir nicht arbeiten, erhalten die Gäste ihr Geld zurück oder können dieses als Guthaben bei uns stehen lassen.

So wie ihr es auch handhabt mit den Touren und Kursen, die nun ausgefallen sind und noch ausfallen werden.
Genau. Es soll keinem Gast ein finanzieller Nachteil aus einer Absage erwachsen. Für uns ist es hilfreich, wenn jemand das bereits bezahlte Geld als Guthaben stehen lässt. Genauso verstehen wir aber, dass dies nicht allen möglich ist.

Einige Gäste haben einen Teil des Kursgeldes für die Bergführer gespendet und angeregt, ein Spendenkonto für die bergpunkt-Bergführer einzurichten. Kannst du dazu noch etwas sagen?
Für die Spenden sind die Bergführer dankbar. Das ist eine sehr schöne Geste seitens unserer Gäste. Doch mit der neuen Regelung des Bundes ist die finanzielle Not von Bergführern und Bergführerinnen weniger akzentuiert als in anderen Berufsgruppen. In dem Sinn möchte ich hier auf die Glückskette verweisen, die aktuell für Leute in schwierigen Lagen in der Schweiz sammelt. Allen, die spenden möchten, empfehle ich diese Aktion. Wir bei bergpunkt freuen uns vor allem darauf, wenn die Gäste nach der Krise wieder mit uns in die Berge kommen.

Verstehe ich richtig: Die grösste Freude, die Gäste bergpunkt aktuell machen können, ist das Planen und Buchen ihres Bergsommers.
Auf jeden Fall. Wir erhielten in den letzten Tagen einige Buchungen, was uns enorm freut. Für uns ist dies ein schönes Zeichen, dass unsere Gäste an uns glauben und auch künftig mit uns in die Berge kommen werden. Und das ist für uns momentan der beste Ansporn, morgens ins Büro zu gehen: die Motivation unserer Gäste für die Berge!

Interview: Caroline Fink | Bilder: Christian Jaeggi/Michael Wicky