Bergpunkt

Gute Entscheidungen auf Tour

Ein Cockpit für mehr Sicherheit

Zusammenfassung von Denys Thommen, Partnerbergführer von bergpunkt, Oktober 2025

Wer in den Bergen unterwegs ist, weiss: Nicht der Gipfel, sondern die Entscheidung bestimmt, ob eine Tour erfolgreich ist. Manchmal ist der schwerste Schritt nicht der zum Gipfelkreuz, sondern der zurück ins Tal. Gute Entscheidungen sind kein Zufall – sie basieren auf Vorbereitung, Beobachtung, Erfahrung und einer klaren Struktur.

Risikomanagement als Grundhaltung

Gute Entscheidungen sind keine Momentaufnahmen – sie beruhen auf einer kontinuierlichen Grundhaltung:

  • Gefahren abchecken: Tour im Kopf durchgehen und mögliche Probleme erkennen
  • Worst-Case-Denken: Was wäre der schlimmste Unfall? Wie kann ich die Kette unterbrechen?
  • Bauchgefühl zulassen: Die innere Stimme ist oft ein wichtiger Sensor.
Grafik Risikomanagement aus unserem Merkblatt "Technik und Taktik Klettern in Merhseillängenrouten", unten im Text genauer beschrieben.
Grafik Risikomanagement aus unserem Merkblatt "Technik und Taktik Klettern in Merhseillängenrouten", unten im Text genauer beschrieben.

Das Entscheidungs-Cockpit: Struktur für komplexe Situationen

Das Entscheidungs-Cockpit hilft, Emotionen und Fakten zu sortieren und systematisch zu einem tragfähigen Entscheid zu kommen. Es besteht aus vier Schritten:
1. Faktor Mensch (Feel) – Stimmung, Druck, Bauchgefühl
2. Beurteilen (Think) – Fakten, Gefahren, Hauptproblem
3. Entscheiden (Check & Decide) – Optionen, Risikoabwägung, Konsens
4. Umsetzen (Act) – Taktik, Kommunikation, Sicherheitsmassnahmen

Die 3 R: Sicherheitsnetz in der Entscheidung

Zusätzlich zum Cockpit helfen die 3 R, Risiken abzufedern:

  • Redundanz: Doppelter Boden, z. B. zweite Sicherung, Papierkarte zusätzlich zum GPS
  • Reserve: Zeit- und Energiereserven einplanen, um nicht am Limit zu entscheiden
  • Rückzug: Die Option, jederzeit umzukehren, um keine Entscheidung „erzwingen“ zu müssen.

Typische Entscheidungssituationen – ein Beispiel

Szenario: Eine Gruppe von fünf Personen (ein Tourorganisator/Tourenleiter und vier Freunde) sind auf einer Hochtour unterwegs. Am späten Vormittag ziehen Wolken auf, der Wind frischt auf. Einige wollen weitergehen, andere sind unsicher.

1. Faktor Mensch (Feel)

  • Stimmung gespalten, zwei wollen weiter, zwei sind skeptisch
  • Bergführer spürt Druck durch Verantwortung und Erwartungen
  • Bauchgefühl: Es wird heikel

2. Beurteilen (Think)

  • Fakten: Gewitter ab Mittag, Wolken ziehen schneller auf als erwartet
  • Gelände: Rückzug jetzt noch problemlos möglich, später schwieriger
  • Gruppe: Eine Person wirkt müde
  • Faustregel: Nie in eine Schlüsselstelle einsteigen, wenn das Wetter kippt

3. Entscheiden (Check & Decide)

  • Optionen: Weitergehen, Umkehren, Verkürzung der Tour und Notausstieg durch eine Scharte
  • Risikoabwägung: Hauptproblem ist das Wetter, Sicherheit spricht für defensive Option
  • Konsens: Jede Stimme wird gehört, Bergführer betont Sicherheit als Ziel

4. Umsetzen (Act)

  • Entscheidung: Umkehr
  • Kommunikation: „Wir gehen zurück, weil Sicherheit Vorrang hat. Der Gipfel läuft nicht weg."
  • Umsetzung: Geordneter Rückzug, Pausen nach Bedarf, klare Führung

Ergebnis: Statt ein Risiko einzugehen, stärkt die Gruppe ihre Erfahrung – und kann den Entscheid beim nächsten Mal bewusst reflektieren.

Reflexion: Lernen aus Entscheidungen

Jede Tour endet nicht mit der Heimfahrt, sondern mit einem Rückblick:

  • Waren unsere Annahmen realistisch?
  • Wo haben wir gut entschieden, wo könnten wir besser werden?
  • Was nehmen wir fürs nächste Mal mit?

So wird jede Tour – auch ohne Gipfelerfolg – ein Schritt zu mehr Erfahrung, Sicherheit und Kompetenz.

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