Bergpunkt

Sicher unterwegs auf dem Gletscher

Routenwahl, Spaltenzonen und Anseilen einfach erklärt

aus dem Buch "Technik und Taktik für leichte Hochtouren", bergpunkt

Routenwahl

Wo hat es Gletscherspalten?

Grundsätzlich können sich überall unter der harmlos scheinenden Schneedecke verborgene Gletscherspalten befinden. Oft bilden sie sich immer wieder an denselben Stellen. Ursachen sind unterschiedliche Fliessgeschwindigkeiten des Eises, weil der Untergrund uneben, mal steil, mal flach oder buckelig ist. Typischerweise bilden sich an einem Geländeabbruch grosse Spalten. Tückisch ist, dass oft oberhalb dieser Stellen, noch im Flachen, tiefe Spalten vorkommen. Das hat damit zu tun, dass der Gletscher dort wegen des darunterliegenden Abbruchs beschleunigt, ja richtiggehend gezerrt wird. Unterhalb von Steilpassagen und generell in Mulden wird der Gletscher langsamer und somit zusammengedrückt. Dort hat es weniger Spalten. (Bild 1)

Typische Spaltenzonen sind meist auf der Karte eingezeichnet und können schon bei der Planung der Route mitberücksichtigt werden. Manchmal sind die Spalten zum Teil noch offen, und es lässt sich leicht erahnen, dass sich in der Verlängerung der offenen Spalte eine verschneite Spaltenbrücke befinden könnte. Mit geschultem Auge lassen sich manchmal auch verschneite Spalten erkennen. Ein paar Tage nach dem letzten Schneefall, insbesondere bei Erwärmung, senken sich die Spaltenbrücken ein wenig, und die Gletscherspalten zeichnen sich ab. Manchmal scheint auch der Schnee leicht andersfarbig, oder es sind feine Risse erkennbar. (Bild 2)

Bild 1
Bild 1
Bild 2
Bild 2

Abschätzen der Verhältnisse für Gletschertouren 

Allgemein gilt: Je mächtiger die Spaltenbrücken sind, d.h. je mehr Schnee im Allgemeinen liegt, desto kleiner ist das Risiko eines Spaltensturzes. Auf der anderen Seite steigt das Risiko, wenn wenig Schnee liegt und/oder wenn der Schnee infolge Erwärmung weich wird und an Festigkeit verliert.

Der Einfluss der Wärme

Wärme, zum Beispiel infolge intensiver Sonneneinstrahlung, weicht den Schnee auf, und die Gefahr des Einbrechens nimmt zu. Sie hat aber auch zur Folge, dass der Schnee plastisch wird und sich verformen kann. Dadurch werden Spannungen abgebaut und Risse in Spaltenbrücken wieder zusammengekittet. Kühlt sich die Schneedecke wieder ab, zum Beispiel während einer klaren Nacht, verfestigt sich der Schnee und die Gefahr des Einsinkens oder des Einbrechens einer ganzen Schneebrücke nimmt ab. Ist es über längere Zeit andauernd kalt und fällt kein Neuschnee, so bauen sich durch das Fliessen des Gletschers Spannungen auf, und es entstehen neue Risse. Das Risiko, dass eine ganze Brücke einstürzt, erhöht sich wieder.

Faustregeln zur Routenwahl

  • grössere Spalten und Spaltenzonen weiträumig umgehen
  • Spalten möglichst senkrecht zur Spaltenrichtung passieren
  • bei Schnee: immer angeseilt gehen, Anseillänge angepasst an die Grösse der Seilschaft und Abstände genügend lange wählen
  • bei Pausen: nicht zu nahe zusammenstehen

Anseilen auf dem Gletscher

Wann wird angeseilt?

Zu Fuss wird auf verschneiten Gletschern grundsätzlich immer angeseilt. Auf dem aperen Gletscher muss situativ entschieden werden. Auch wenn nicht angeseilt wird, trägt man auf dem Gletscher immer einen Anseilgurt. Man ist im Zweifelsfall schneller bereit, auch einmal für ein paar Meter anzuseilen.

Wie wird angeseilt?

Die Seilschaft verhindert, dass eine einbrechende Person in eine Gletscherspalte fallen kann. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass die ganze Seilschaft mitgerissen wird. Besonders schwierig, eine Person zu halten, ist es: 

  • wenn zwischen den Personen das Seil nicht straff geführt wurde
  • bei hartem Schnee
  • in steilem Gelände

Grundsätze

  • Seilschaftsmitglieder müssen weit auseinander angeseilt werden
    • 15– 20 m für Zweierseilschaften
    • 10 –12 m für Dreierseilschaften
    • 8-10 m für Viererseilschaften
  • Mit dem Rest des Seils wird eine Seilverkürzung gemacht. Diese dient als Seilreserve für eine allfällige Rettung
  • Grössere Seilschaften sind sicherer, ideal sind 3 bis 5 Personen
  • Am straffen Seil gehen, keine Seilschlaufen in der Hand halten
  • Schwere und/oder erfahrenere Personen beim Aufstieg vorne, beim Abstieg hinten anseilen, weil diese sonst von den leichteren Seilschaftsmitgliedern nur schwer gehalten werden können

 

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Anseilgurt und Seil

Angeseilt wird mittels Anseilgurt und Seil. Wie der Anseilgurt korrekt angezogen wird und wo daran das Seil befestigt wird, hängt vom Typ ab und muss in der Gebrauchsanleitung des Herstellers nachgelesen werden. Pro Seilschaft braucht es ein genügend langes Bergseil. Bei reinen Gletschertouren darf anstelle eines normalen Bergseils (versehen mit einer UIAA-Marke (1) auch ein Halbseil (UIAA ½ ) oder eine Radline verwendet werden. Achtung: Wird ein Halbseil oder eine Radline verwendet, darf nicht damit geklettert werden. Die Materialbelastung bei einem Klettersturz, auch in einfachem Gelände, wäre zu gross!

Knoten und weitere Anseilmöglichkeiten

  • Am Seilende: Achterknoten
  • In der Seilmitte:
    • Gesteckter Führerknoten
    • Ankerstich
Bild 4
Bild 5

Knoten im Seil

Besonders bei Zweierseilschaften oder bei grossen Gewichtsunterschieden ist es sinnvoll, in der Mitte zwischen zwei Personen mehrere Knoten ins Seil zu machen (z. B. Führerknoten, siehe Abbildung oben). Bei einem Spaltensturz schneidet das Seil in die Spaltenlippe ein und mit etwas Glück verklemmt sich ein Knoten in diesem Einschnitt.

Seilverkürzung

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