
Unbekannte Gipfel, grosse Träume

Interview von Caroline Fink für bergpunkt, Juli 2025
«Je unbekannter ein Gipfel, desto besser!»
Julia Henger begann dank eines bergpunkt-Schnupperkurses vor nicht allzu langer Zeit mit dem Bergsteigen. Hier erzählt sie, was ihr am Alpinistinnenleben am besten gefällt – und wovon sie träumt.
Julia, du hast über den Schnupperkurs von bergpunkt den Einstieg ins Bergsteigen gefunden. Hast du dir diesen Schritt lange überlegt?
Nein, das war ein spontaner Entscheid. Im vorangehenden Winter war ich auf einer Schneeschuhtour, als ich eine Gruppe Skitourengänger sah. Da dachte ich mir: Auch ich will höher hinauf und zwar im Sommer! Am Abend nach der Tour suchte ich im Internet nach Einstiegskursen – und buchte gleich den Schnupperkurs.
Hast du insgeheim schon länger vom Bergsteigen geträumt?
Der Gedanke, Bergsteigen zu gehen, tauchte immer wieder auf. Jedoch fehlte mir lange Zeit das Vertrauen, den Schritt zu wagen. Ich war auch wandernd gern in den Bergen unterwegs und mag Gruppen nicht allzu sehr.
Was hat dich am Ende dennoch dazu bewogen?
Der Reiz des Neuen und der Wunsch, die Berge doch anders kennenzulernen. Und mehr Möglichkeiten zu haben, mich in ihnen zu bewegen.
Am Anfang eines Alpinistinnenlebens ist fast alles dieses «Neuen» eindrücklich. Was waren für dich die bis anhin bleibendsten Momente?
Gletscher beeindrucken mich. Ihre unglaublichen Formen und Farben. Oder das Abseilen in eine Gletscherspalte, in der es auf einmal unendlich ruhig war, während mich wunderschöne Formen aus Eis umgaben. Gleichzeitig das Vertrauen in Mensch und Material, aus der Spalte auch wieder heil herauszukommen. Oder aber im Dunkeln in der Bovalhütte aufzubrechen und in den frühen Morgenstunden die Berge leuchten zu sehen. Dann im strömenden Regen und mit Windböen als Team zusammenzuhalten und trotz der Bedingungen einen guten und sicheren Tag zu erleben.
Strömender Regen und Windböen – musst du dich fürs Bergsteigen auch mal überwinden?
Bisher nicht. Für den Berg bin ich fast immer parat!
Hat sich dein restliches Leben durch das Bergsteigen verändert?
Mein Leben an sich nicht, aber mein Blick auf die Berge ist ein anderer geworden. Ich habe neue Möglichkeiten entdeckt, mich in den Bergen zu bewegen – vielseitiger, bewusster und auch mit einem geschärften Blick für Gefahren. Gleichzeitig hat sich meine Faszination dafür vertieft, weiter hinaufzusteigen, Neues zu entdecken, an Grenzen zu kommen und Leute mit derselben Leidenschaft kennenzulernen.
Gibt es Gipfel, von denen du träumst?
Je unbekannter ein Gipfel ist, desto besser! Ich geniesse die Ruhe am Berg. Darüber hinaus finde ich: Der Weg zum Ziel und gute Stimmung in der Seilschaft machen es aus – nicht der Gipfel.
Das heisst, du wünschst dir viele unbekannte Gipfel für deine alpinistische Zukunft.
Ich wünsche mir vor allem jede Menge guter und auch anstrengender Stunden im Gebirge. Und dass die Berge für mich ein Ort bleiben, der mir Kraft und Energie für den Alltag gibt!
Vielen Dank Julia für deine Zeit und das Interview!