Bergpunkt

Erstmals auf Skitour

Viertägiger Karriereauftakt mit Tourenski

Und was, wenn es einfach gut wird?

Sarah Clausen fährt seit Jahren Snowboard. Doch nun wollte sie zum ersten Mal auf eine Skitour gehen. Dazu buchte sie gleich einmal einen viertägigen Kurs. Mit gemischten Gefühlen reist sie an, erlebt während den vier Tagen Höhen und Tiefen und ist am Ende vor allem: beeindruckt vom Zusammenhalt in der Gruppe. Hier erzählt sie uns ihre Skitouren-Geschichte.

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Während der über dreistündigen Zugfahrt hatte ich viel Zeit, mir zu überlegen, wie um Himmels Willen ich auf diese Idee gekommen bin: Noch nie auf einer Skitour gewesen zu sein und gleich mit einer viertägigen Tour zu starten! Vielleicht weil ich Schnee mag? Auf jeden Fall! Und weil ich gerne draussen bin und mich bewege? Jawohl! Oder weil ich gerne Neues lerne? Unbedingt! Aber warum auf Ski? Und dazu in einer Gruppe, in der ich niemanden kenne? Und dann noch in einer Hütte, in der alle schnarchen und um 22Uhr Nachtruhe gilt? Na bravo! Kann ich bitteschön aus diesem Zug noch aussteigen?

Doch ich steige nicht aus. Ich steige um. Und bei jedem Umsteigen schweift mein Blick über all die Tourengänger, die auch am Bahnhof sind. Über deren tolle Ausrüstung, Ski und Hosenfarbe passend. Ob irgendeiner unter all diesen Sportskanonen «mein» Bergführer ist? Oder vielleicht ein Teilnehmer meiner Gruppe?

Bei der Endstation dann folgt die Auflösung: Einer ist der Bergführer und er hat mich dank meines Mietmaterials auch schon erkannt.

Die Gruppe schart sich um ihn und ich denke: «Puuuuh, nicht alle sind Vollprofis, so wie manche von uns die Ski tragen!» Während der Einführung, Materialverteilung und dem kurzen Kennenlernen – auf einer Schneekuppe neben einem Leuchtturm! – frage ich mich dann doch, ob ich nicht einfach vier Tage auf der nächsten Sonnenterrasse verbringen soll. Oder an der Nordsee – da gäbe es auch Leuchttürme...

Die Gedanken werden vom Aufbruch unterbrochen und wenig später üben wir uns in der ersten Abfahrt von einer Schneekuppe. Naja, Abfahrt ist ein weiter Begriff. Als Kind stand ich auf den Ski, seit Jahren aber bin ich auf dem Snowboard unterwegs und so fühlen sich diese sich unabhängig voneinander bewegenden Bretter an den Beinen etwas komisch an. Und dann wär da noch der Rucksack, der mein Gleichgewichtsverhalten nicht grad fördert. Immerhin dient er gewissermassen als Schwunghebel beim Aufstehen, wenn man erstmal im Schnee liegt. Ein anderer Teilnehmer hilft dabei: Er wird buchstäblich zum Aufsteller! Im Rucksack, so stellt sich dann heraus, habe ich viel unnützes Zeug mitgeschleppt. Drum mein Tipp für alle, die zum ersten Mal auf Skitour gehen: Toilettenartikel gibt es im kleinen Format, Bücher mitschleppen macht keinen Sinn, Investitionen in leichte Kleidung indes schon, das Essen unterwegs ist sehr wichtig, wobei man am besten den Nährwert pro Gramm beachtet und nicht das Volumen. Sonst wird es beschwerlich!

Mit schweren Rucksäcken, verschwitzten Gesichtern und doch freudig kommen wir in der Hütte an. Es folgen drei Tage, an denen wir zusammen die Touren planen, sehr viel über Schnee, Lawinen und Tourengehen lernen und jeder mit seinen eigenen Herausforderungen ringt. Seien es die eingeschränkte Wellnessoase, die fixen Essenszeiten, die Geräuschkulisse in der Nacht, das frühe Aufstehen, das Kratzen der Ski auf Eis beim Losfahren, der Wind in den Augen, der Grat am Gipfelaufbau, die Bindung, die Skischuhe, die Aufstiege, die Abfahrten oder auch nur: die Gedanken an die Abfahrt während des Aufstiegs.

Für mich selber war der letzte Tag am anspruchsvollsten. Schon etwas «angeschlagen» nach den drei Tagen, beginnt der Tag mit einer Abfahrt über gefrorenen, zerfurchten Sulz. Meine Beine brennen so sehr und ich bin so konzentriert, dass ich sogar das Schneehuhn verpasse... Dann kommt ein Grasbüschel, der mich glatt ausbremst, so dass die Schwerkraft gnadenlos zuschlägt. Auffellen und weiter geht es dann bergwärts. Wobei Hangneigung und meine Neigung inkongruent sind, weshalb ich rutsche, was zu Angst führt und zu noch mehr Rutschen. Ich lerne: Die Angst ist ein schlechter Ratgeber!

Nach der Angst kommt die Wut und nach Wut kommen – endlich auf einer Fläche – dann die Tränen und der Wunsch, irgendwo ein Erdloch zu finden, in dem es eine Sauna, festen Halt und Kaffe gibt. Stattdessen folgt eine Traverse, die dank der Sonne aber mehr Halt verspricht. Vorsichtig wage ich mich, meine inneren Hürden überwindend, in die Passage. Und diesmal halten die Kanten besser, als erwartet.

Auf dem Grat dann höre die Stimme des Bergführers: «Einfach rechts und dann links einen Schritt machen – eis nam andru.» Ich stapfe los, stampfe über die Traverse. Rechts, links – was gibt es Einfacheres? Der Rest der Tour ist dann peanuts. Sowohl der Gipfel wie die Abfahrt – die mich am ersten Tag noch hätten zittern lassen – geniesse ich!

Im Rückblick denke ich an alles mit einem Lächeln, die wunderschönen Momente, festgehalten in Fotos und im Herzen. Und auch die Freude ist riesengross, meine Grenzen nach oben verschoben zu haben. Was mich sehr beeindruckt hat: Immer wieder sind genau im richtigen Moment Menschen aufgetaucht, die mir geholfen haben. Eine Hand da, ein Wort dort oder einfach ein Lächeln. Ich hoffe sehr, dass ich das auch für andere sein konnte und immer wieder sein kann. Zusammen sind wir ein Stück gewachsen. In einer Gruppe, jeder und jede mit eigenen Themen, Ängsten, Freuden. Eine Gruppe, die sich einfach so wohl nicht gefunden hätte, aber mit einem mal verbunden war durch einen gebuchten Kurs. Merci!

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