Bergpunkt

Unterwegs mit Schneeschuhen

Ein Erlebnis der besonderen Art
das Ziel war hier, in diesem Moment

Ode an die Langsamkeit

Sie liebte diese klare Luft. Ihr Atem ging ruhig und verschmolz mit der Stille des schneebedeckten Waldes. Der Schnee flüsterte, als sie ihren Weg durch die lichten Lärchen fand, geführt allein von der schweigenden Landschaft, ihrem Entdeckergeist und ihrem Wissen, was möglich und was unmöglich war. In der Ferne sah sie den Grat, auf den sie zusteuerte, doch er war kein Ziel. Das Ziel war hier, in diesem Moment. Ein Tannenhäher flog mit leisem Flügelschlag auf einen höheren Ast und betrachtete sie mit schiefgelegtem Kopf. In der Ferne sah sie diejenigen, die auf Skitour gezielt in die Höhe stiegen. Die gerade Spur im Schnee erzählte von deren Absicht, möglichst bald am optimalen Hang den optimalen Schnee zu finden und die optimale Abfahrt zu geniessen. Viele Male war sie auf solchen Touren gewesen, doch jetzt war sie ann einem anderen Ort angekommen.

Mit dem ersten Schritt in ihren Schneeschuhen war sie angekommen. Das Schneeschuhwandern war ein Wandeln, ein Sichverbinden mit der Landschaft, es bedeutete, darin eingebettet zu werden. Es war mehr als ein Gehen, für sie hiess es, diese Landschaft zu erkunden und sich darin aufgehoben zu fühlen. Darauf eingehen, darin aufgehen. Ja, ein Gefühl, dachte sie. Das Gefühl, das sie bei den Skitouren bei der Abfahrt manchmal hatte, doch diese Abfahrt trug immer schon das – meist zu schnelle – Ende in sich. Und man hatte es sich zuerst verdienen müssen.

Was sie jetzt erlebte, war von Anfang an Belohnung. Sie war aus dem Wald herausgetreten und bewegte sich über eine sorgfältig ausgewählte unendliche Weite, die nur der Horizont in weiss und blau unterschied. Die Sonne wärmte ihr Gesicht. Sie war wachsam ohne Anstrengung. Das Gefühl der Belohnung war immer gegenwärtig. Schneeschuhwandern war mehr als Fortbewegung. Sie ging nicht fort, nicht auf ein Ziel hin. Sie kam mit jedem Schritt mehr ins Hier. Dampfenden Atemzug für dampfenden Atemzug. Durchaus, sie wurde gefordert. Durch das Ungespurte sich eine Spur zu bahnen, wenn der Schnee nicht eisig knistert und nur ein wenig ächzt unter ihren Schneeschuhen, sondern nachgibt, willkommen heisst, zum Hierbleiben einlädt, das brauchte ebenso Kraft und Kondition wie eine Skitour. Sie ging im Rhythmus, den sie, die Landschaft und der Schnee, zusammen spielten. Sie musste sich nicht beeilen, um einen idealen Zeitpunkt für eine Abfahrt nicht zu verpassen. Sie war hier. 

Ruhe und Kraft, dachte sie, als sie sich auf dem Grat wiederfand. Die Aussicht überwältigte sie. Weit unten sah sie die Skilifte, die geschäftigen Pisten und Winterwanderwege, bevölkert von emsigen Ameisen, so schien es ihr. 

Ruhe. Weite. So-Sein. Gerne würde sie das alles mit jemandem teilen, dachte sie, denn ja, das ist möglich, und es ist ein wichtiger Gegenpol zur Zielgerichtetheit und Geschäftigkeit des Alltags. Das spürte sie selbst ganz klar. Eine kleine Gruppe müsste es sein, ja. Grosse Gruppen passen nicht in diese Ruhe und Weite. 

Erfüllt machte sie sich an den Abstieg. Sie freute sich schon auf ihre nächste Tour. Mit anderen zusammen. 

Text: Gisela Schmid, Wanderleiterin bergpunkt

 

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